„Ehe für alle“ – eine unauffällige, radikale Systemveränderung

„Ehe für alle“ – eine unauffällige, radikale Systemveränderung

Von Peter Helmes

Die „Frankfurter Schule“ hat den Weg bereitet und uns kollektiv den Verstand vernebelt. Wir scheinen nicht zu merken, was da vor sich geht: Auf mehr oder weniger leisen Sohlen wird unsere Gesellschaft aus den Angeln gekippt und durch eine neue Gesellschaft mit „neuen Menschen“ ersetzt. Bei diesem Umbruch stören tradierte Werte und Überzeugungen. Da geht es zuvörderst den „Säulen der Gesellschaft“ an den Kragen: der Familie sowie dem Staat als Autorität. „Freibier für alle“ heißt jetzt „Freisex für alle(s)“. Da stört die alte Ehe nur und damit auch die Familie. Ein neues Bewußtsein muß her!

Insgesamt ging es der ´68er Bewegung darum, bürgerliche Normen nicht nur infrage zu stellen, sondern aktiv und provokativ zu zerstören. Die gezielte Förderung von “Kindersex” schien z. B. hierfür ein besonders geeignetes Mittel, um eine Gesellschaft zu errichten, in der keine bürgerlichen “Tabus” mehr gelten – und in welcher die Familie weitgehend durch Kommunen ersetzt wird. „Familie“ hatte ausgedient und wurde durch „neue Lebensformen“ ersetzt.

Wie ändert man möglichst unauffällig ein gesellschaftliches System? Indem man über die Umdeutung bedeutsamer sprachlicher Begriffe das kollektive Bewußtsein ändert. Es ist unglaublich, wie unreflektiert wir den auf natürlichen Grundlagen beruhenden, Jahrtausende alten Begriff „Ehe“ mit neuen Inhalten zu füllen bereit sind, weil es politisch angesagt ist und Anpassung die sachliche Diskussionen ersetzt.

Das geht auf das Konto der Grünen und Roten, die weite Teile der verfaßten Institutionen von Kirchen und Bildungsträgern durchsetzt haben. (Interessant in diesem Zusammenhang: In keinem kommunistischen Lande gab oder gibt es Multikulti-Schwärmerei oder Schwulenverherrlichung – geschweige denn “Gender Mainstreaming”. Das hinderte die Stasi aber nicht daran, diese Tendenzen im Westen „zur Zersetzung des Kapitalismus” tatkräftig zu unterstützen.)

„Öffnung der Ehe“

Nach dem irischen Volksentscheid über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wurde in den deutschen Medien und der Politik ein regelrechter Sturm für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entfacht. Dieser mündete in die Forderung nach der “Ehe für Alle” und die Ankündigung des Landes Niedersachsen, diese “Ehe für Alle” einschließlich vollem Adoptionsrecht über eine Initiative im Bundesrat herbeiführen zu wollen. Mit dieser Forderung hat die gesamte Debatte einen neuen Höhepunkt und eine neue Qualität erreicht, denn der Begriff “Alle” wird (bewußt?) nicht näher eingegrenzt.

Es ist noch gar nicht so lange her, nämlich im Jahre 2001, da hatte der deutsche Gesetzgeber – heute müßte man sagen zynischerweise durch die seinerzeitige Koalition von SPD und GRÜNEN – klar gehandelt und eben nicht die Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften geöffnet, sondern in der “eingetragenen Lebensgemeinschaft” ein eigenes Rechtsinstitut geschaffen.

Offensichtlich war den Politikern von SPD und Grünen also noch vor wenigen Jahren bewußt, daß die Ehe so, wie Sie das Grundgesetz in Art. 6 Abs. 1 definiert und unter den Schutz des Staates steht, als Verbindung von Mann und Frau eine besondere Stellung hat. Eine besondere Stellung, weil sie die Keimzelle der Gesellschaft ist, aus der Nachkommen hervorgehen. Konsequent sagt dann auch Artikel 6 Abs. 2 GG: “Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.”

“Fortschritt braucht Vater, Mutter, Kinder” war der Titel des Artikels von Reinhard Müller, der in der F.A.Z vom 27.05.2015 auf diese Zusammenhänge hingewiesen hat. Reinhard Müller wies auch auf die Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht hin – und auf Folgen, die eine grundlegende Änderung des Eheverständnisses hätte:

“Zwar bringt auch nicht jede Ehe Kinder hervor, wie Karlsruhe messerscharf beobachtete, doch ist die Verbindung zwischen Mann und Frau nun einmal die einzige, die Kinder hervorbringen kann. Hier geht es nicht um Antidiskriminierung, sondern um Vaterschaft, Mutterschaft und Kindeswohl. Müsste aus einer kompletten Gleichstellung nicht gefolgert werden, Leihmutterschaft auch in Deutschland zu erlauben? Der neue, überparteiliche Leitsatz, der womöglich bald auch im Grundgesetz steht, lautet: Familie ist da, wo Kinder sind. Aber die Samenbank ist nicht die Keimzelle der Gesellschaft.

Im vorletzten Satz des Zitates deutet sich an, wohin der deutliche Kurswechsel von SPD und Grünen, der in der Initiative Niedersachsens zum Ausdruck kommt, wohl führen wird: Zu dem Versuch, das Grundgesetz zu ändern und das grundlegende Verständnis von Ehe und Familie als Verbindung von Vater, Mutter und Kindern und als Keimzelle der Gesellschaft aufzugeben.

Nachdem sie uns in eine ökosozialistische Gesinnungsdiktatur gedrängt haben, wollen sie also jetzt unser traditionelles Familiensystem zerstören. Männer sollen ihre männlichen Eigenschaften ablegen und per Gender-Order der neue „gemischtgeschlechtliche Einheitsmensch“ geschaffen werden.

So man sich noch einen kritischen Kopf bewahrt hat, vernimmt man allenthalben (pflichtschuldigst?) Zustimmung. Ein lauter Chor von Gutmenschen und Neuerern scheint das gesellschaftliche Bewußtsein zu bestimmen. Nur wenige Stimmen stören das Konzert:

„SPD: Kramp-Karrenbauer setzt Homo-Ehe mit Inzucht gleich“

Unter dieser Überschrift vermeldet die dpa (03.06.2015, 16:38 Uhr) schier Unglaubliches: Mit kritischen Äußerungen zur Homo-Ehe habe die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Empörung ausgelöst.

Es gebe in Deutschland bisher eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau, sagte die Katholikin der “Saarbrücker Zeitung”. “Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen”, meinte sie. SPD, Grüne und FDP kritisierten dies scharf.

“Damit erreicht die Debatte über die Ehe für alle einen neuen Tiefpunkt”, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe keinerlei Verständnis dafür, “dass eine CDU-Ministerpräsidentin gleichgeschlechtliche Partnerschaften jetzt mit Inzucht und Polygamie gleichsetzt”. “Das ist ein Schlag ins Gesicht Hunderttausender gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, die füreinander einstehen und Verantwortung übernehmen”, meinte Fahimi.

SPD, Grüne und Linke versuchen über den Bundesrat, eine Mehrheit für einen Vorstoß zur Gleichstellung für homosexuelle Partnerschaften zu organisieren, um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck zu setzen. Im Bund sind der SPD wegen der Koalition mit der Union die Hände gebunden. Der Grünen-Politiker Volker Beck meinte ironisch im Kurznachrichtendienst Twitter zur Äußerung Kramp-Karrenbauers: “Nach der #Ehefueralle kommt die Ehe mit Aliens, Goldhamstern, Verwandten.”

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer betonte: “Die Äußerungen von Frau Kramp-Karrenbauer sind eine Unverschämtheit, sie beleidigt Homosexuelle zutiefst. Ich fordere sie auf, sich für ihre Entgleisung zu entschuldigen.”

Die CDU-Ministerpräsidentin sagte in der “Saarbrücker Zeitung” zugleich, bestehende Diskriminierungen zwischen Ehe und der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft müssten abgebaut werden. “Am Ende dieses Prozesses werden wir uns wahrscheinlich auch mit der Frage nach der Volladoption befassen müssen.” Diese lehne sie ab.

Seit Jahren heiße es, daß für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation seien. “Gerade diese Frage dürfen wir nicht daran festmachen, ob sich jemand diskriminiert fühlt oder nicht – sondern allein am Kindeswohl”, betonte Kramp-Karrenbauer. Die CDU-Politikerin ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), der Vertretung katholischer Laien.

Ich gehöre nicht zu den Freunden dieser CDU-Dame, aber in diesem Punkt verdient sie Unterstützung. Sie rudert (nur) hier – leider nicht überall – gegen den Mainstream in Kirche und Gesellschaft, auch als Mitglied des ZK der Deutschen Katholiken. Hätte man doch gedacht, gerade die Kirchen gehörten zu den standfesteten Verteidigern von Ehe und Familie. Weit gefehlt:

EKD-Ratsvorsitzender vom Zeitgeist gelenkt

„Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich für eine Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe aus“ (Nordbayerischer Kurier 30.05.2015). Daß der oberste Repräsentant der Protestanten mit dieser grundgesetzwidrigen Stellungnahme die christliche Werteordnung in Deutschland nicht nur auf den Kopf stellt, sondern regelrecht bekämpft, scheint ihm nicht bewußt zu sein.

Bekanntermaßen werden im „Römerbrief“ des Apostels Paulus an die Christen zu Rom homosexuelle Handlungen unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext unmißverständlich verworfen, was für praktizierende Christen verbindlich ist. Der Paulus-Brief hatte einen entscheidenden Einfluß sowohl auf die Reformation als auch auf die Bekennende Kirche im NS-Staat.

Bedford-Strohm vertraut offensichtlich eher dem Zeit- denn dem Hl. Geist. Seine Stellungnahme entspricht weniger der Bibel als viel eher der Ideologie des Neomarxismus, welcher die Evangelische Kirche durchsetzt und vor allem von den Grünen hineingetragen wurde. Katrin Göring-Eckardt, Spitzenpolitikerin der Grünen Partei, war die Vorsitzende der vorigen EKD-Synode. Ziel des Neomarxismus ist die Abschaffung unserer Kultur und die Desindustrialisierung Deutschlands. Diesem Ziel fühlt sich wohl auch die Evangelische Kirche verpflichtet.

Ein „kardinaler Streit“ auch in der katholischen Kirche

Auch in der katholischen Kirche marschieren die Gesellschaftsveränderer: Wie die US-amerikanisch-katholische Nachrichtenseite LifeSiteNews.com berichtet, hat der – Verzeihung, Eminenz! – Zeitgeistvorläufer und modernistische Kardinal Kasper die am 22. Mai erfolgte Volksabstimmung in Irland zugunsten der gleichgeschlechtlichen “Ehe” verteidigt.

Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera zitiert den vatikanischen Würdenträger dahingehend, homosexuelle Partnerschaften seien bei der letzten Familiensynode “nur ein Randthema” gewesen, aber nun sei es zu einem “zentralen” Thema geworden.

Kasper verteidigte das Ergebnis des Referendums in Irland: “Ein demokratischer Staat hat die Pflicht, den Willen des Volkes zu respektieren”, erklärte er. Wenn die Mehrheit der Menschen dies wünsche, sei der Staat verpflichtet, “derartige Rechte anzuerkennen”.

Sittengesetz contra Rechtspositivmus

Damit neigt der Kurienkardinal offenbar zu einer rechtspositivistischen Auffassung, wonach nicht das natürliche Sittengesetz bzw. “Naturrecht” die entscheidende Grundlage des Rechts darstellt, sondern die jeweiligen Mehrheitsmeinungen bzw. die staatlichen Gesetze. Seine Position widerspricht allerdings der katholischen Lehre vom Vorrang des Naturrechts gegenüber staatlichen Verfügungen, wie dies z. B. hinsichtlich des Abtreibungs(un)rechts deutlich wird: Selbst wenn staatliche Gesetze die vorgeburtliche Kindstötung(!) erlauben, kann die katholische Kirche aufgrund des 5. Gebotes und des natürlichen Sittengesetzes dem niemals zustimmen.

Die Homosexualität habe mit der Ehe nichts zu tun. Es sei darum widersinnig, bei der vatikanischen Familiensynode im Oktober darüber zu debattieren, stellte der römische Glaubenspräfekt klar.

„Ehebegriffsänderung ist Beleidigung Gottes“

Kurz nachdem Kardinal Kasper seine kruden Überlegungen vorgestellt hatte, bekannte Kurienkardinal Gerhard Müller bei einem Kongreß an der University of Social & Medial Culture in Toruń (Polen) am 29. Mai 2015 in gewohnt klarer Form, daß eine Änderung der Definition von der Ehe eine Beleidigung Gottes sei.

Einige Tage zuvor meinte der pensionierte Kardinal Kasper gegenüber der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera, daß das Thema Homosexualität im Zentrum der Familiensynode stehen müsse, weil man angeblich viel zu lange darüber geschwiegen habe. „Wir müssen eine neue Sprache zu finden”, zitiert ihn die italienische Tageszeitung. Bedeutet aber eine neue “Sprache” nicht letztlich auch eine neue Lehre?! (Quelle für beide Kardinals-Meldungen: „Christliches Forum“: charismatismus.wordpress.com/)

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*Peter Helmes ist unter anderem  Herausgeber des Blogs Conservo

Über 99Thesen

Ich bin - unter anderem - der Urenkel des ersten Kammerdieners und der zweiten Mammsell des letzten deutschen Kaisers. Seit Kindertagen bin ich gläubig an Jesus Christus und setze mich für die Freiheit des Evangeliums, Religions- und Meinungsfreiheit ein - ebenso wie für den Erhalt konservativer Werte und den Schutz der Schöpfung. Rheinische Lebensfreude erfahre und erlebe ich in meiner rheinisch-bergischen und oberbergischen Heimat und paare diese mit einem preußischen Verständnis von Pflichterfüllung , Einsatzbereitschaft und Leidenschaft sowie die Liebe zu meiner Heimat, zur Natur und christlichen Kultur europäischer und insbesondere deutscher Prägung. Dazu gehört für mich auch wie die Luft zum Atmen die Dinge mal humorvoll und auch überspitzt mal auf die "Schippe " zu nehmen. Ein paar Spritzer rheinischer Lässigkeit und Lebensfreude gehören so zu meiner Lebensqualität dazu. Mein Blog 99Thesen finden Sie hier: 99thesen.com
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1 Antwort zu „Ehe für alle“ – eine unauffällige, radikale Systemveränderung

  1. Hat dies auf Interplanetar's Blog rebloggt und kommentierte:

    Chronik der Zeit (Kalenderwerke, Ortszeiten) existiert nicht
    Anonyme Autoren, (Pseudographen, Ghostwriter) ergeben keine rechtmäßigen Zeugen. Ohne Unterschrift ist kein Dokument. Ohne Markenrecht für Schrift ergibt sich keine Besonderheit. Offenbarung ist mit eidesstattlicher Versicherung, bzw. Patent.
    Überzeugte, arbeitsrechtlich loyalitätspflichtige partriarchale Herren und Brüder, mit offensichtlich gieriger Kehle (Seele), fehlverorteter Gefühle, in Hohl-, Pumporganen, predigen, plärren für Geld, beten um gesehen zu werden. Mit Wiederholung falscher Erinnerung, falscher Tatsachen, glauben sie Wahrheit.
    Wo keine Anspruchsberechtigung nachweislich ist, nutzt das beten natürlich nichts. Im Subkultus sind Einfältige Leute mit Zuckerbrot und Peitsche am ehesten zu überzeugen.

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